Haydarpasa


Da steht es ganz am Wasser auf der von markanten historischen Bauten eher nicht so reich gesegneten asiatischen Seite des Bosporus, das repräsentative Empfangs- und Dienstgebäude der Anatolischen Eisenbahn. Erbaut in den Jahren 1906 bis 1908 durch die deutsche Firma Phillip Holzmann unter tatkräftiger politischer Unterstützung durch das Deutsche Reich, welches durchaus berechtigterweise um seine Verbindungen in den Nahen Osten im Falle eines Krieges mit dem die Weltmeere beherrschenden Großbritannien fürchtete. Und so entstanden auch die hier beginnenden Bahnstrecken nach Aleppo, Damaskus und Bagdad unter deutscher Führung und mit finanziellen Mitteln eines deutschen Bankenkonsortiums. Mit Ende des ersten Weltkrieges war erst eine reichliche Hälfte der insgesamt etwa 3000 Streckenkilometer fertiggestellt, erst im Jahr 1930 wurde das Projekt, nun unter anderen politischen Vorzeichen, vollendet. Und nun begannen die Zeiten der großen Züge, von denen heute nur noch die Erinnerung übriggeblieben ist: So rollte der berühmte Orient-Express in drei Tagen Fahrzeit von Paris nach Istanbul Sirkeci, nach einer Übernachtung im luxuriösen Hotel ging es am nächsten Morgen über den Bosporus nach Haydarpasa, wo ab dem 15.Februar 1930 schon der Taurus-Express auf die Reisenden wartete, welcher in Aleppo geteilt, weiter nach Kirkuk mit dortigem Übergang zur meterspurigen Bagdadbahn weiter in den Irak, oder aber über die Libanonbahn weiter nach Damaskus und Beirut führte. Von Beirut ging es mit Bussen weiter nach Haifa, wo die Möglichkeit zur Weiterfahrt mit dem Cairo-Express nach Ägypten bestand. "London-Bagdad in acht Tagen", wurde damals von der Schlafwagengesellschaft " Compagnie Internationale des Wagons-Lits", der CIWL, geworben. Niemand hat heutzutage mehr Interesse an einer achttägigen Bahnfahrt, wenn sich dieselbe Entfernung auch in wenigen Stunden mit dem Flugzeug bewältigen lässt und auch die politischen Wirren im Nahen Osten trugen dazu bei, dass von dem Eisenbahnnetz nur noch die Streckenteile in der Türkei befahrbar sind. Vorbei die Zeiten, als am Fährbahnsteig (Bild links unten) die honorigen Reisenden dem Schiff entstiegen und die luxuriösen Kurswagen enterten, als ganze Generationen von Europäern erschauend die Romane von Agathe Christie konsumierten, die Person, welche sich während häufiger Reisen zu ihrem im Irak arbeitenden Mann hier entlang die Inspirationen zu diesen Meisterwerken holte, ab 2014 auch vorbei mit jeglichem Leben auf diesem Bahnhof, als der Marmaray-Eisenbahntunnel unter dem Bosporus hindurch in Betrieb genommen wurde. So dämmern auf dem Gelände einige Fährboote, Schadwagen und allerhand ausgemusterte Fahrzeuge vor sich hin, nur im Dienstgebäude mit seinem im Jahr 2012 stark beschädigten und nur provisorisch wiederhergestellten Dach scheinen noch Büros und Diensträume der Türkischen Staatsbahn in Betrieb zu sein. Eigentlich sollte hier schon im Jahr 2019 alles renoviert werden, um Hochgeschwindigkeitszüge aus Ankara hier enden zu lassen, daraus ist aber bislang nichts geworden.